"Wie schnell zerstreuen sich Unrast und Verzweiflung in der Stille der Natur."

(Lion Feuchtwanger)

(copyright) Kerstin Priess 2011

Über die Angst

Angst ist ein Gefühl? Niemals! Angst ist ein Wesen. Am Beginn einer lebenslangen Freundschaft ist sie winzig und klein, ja regelrecht liebenswürdig und irgendwie hilfsbedürftig. Sie gehört zur Familie und es ist, als würde man sich schon ewig kennen. Also darf sie mit der Herde mitlaufen. Und schon hat sie den Fuß in der Tür.

Bei passender Gelegenheit schleicht sie sich von hinten an und ruft: "BUUUUU!"

Wie gemein so erschreckt zu werden! Das Herz bleibt einem fast stehen, man wird handlungsunfähig und einzig und allein die Reflexe springen an. Die sind nicht unserem WIllen unterworfen. Wir springen drei Meter hoch in die Luft, oder fangen an zu laufen und lassen Schreie los, die andere lustig finden. Schreie die aus dem tiefsten Grund der Seele entspringen. Schreie vom Grund des Brunnens. Schreie, weil wir Angst haben unser Leben zu verlieren. Der Moment der reflexartigen Erkenntnis: Bedrohung meines Selbst und meines Seins.

Ist der erste Schreck erst einmal verdaut, werden wir wütend. Wir schlagen zurück. Wir prügeln die Angst, wir stoßen sie zurück und schreien sie an, dass sie nie wieder kommen solle und so etwas nie wieder tun möge.

Nun fangen wir sie gnadenlos ein, sperren sie für ihr Vergehen in einen kleinen Käfig, werfen einen letzten verächtlichen Blick auf sie. Den Käfig mit dem inzwischen ziemlich dämlich dreinblickenden Delinquenten stellen wir in eine alte Hütte, verrammeln die Tür, darum herum bauen wir eine hohe Mauer und schließlich bedecken wir das Ganze mit Erde. Viel Erde. So viel Erde dass ein großer Hügel entsteht. Darüber lassen wir Gras wachsen. Schönes grünes Gras. Frieden. Bäume, ein Wald. Im Wald singen die Vögel.

Alles ist gut.

Niemals!

Die Angst hat schon begonnen sich zu befreien, während wir noch mit den Erdarbeiten beschäftigt waren. Sie gräbt sich nach oben. Den Weg dahin haben wir ihr genügend schwer gemacht. Aber kein Wesen der Erde hat größere Macht Hindernisse zu überwinden, wenn es darum geht, zu Herrchen zurückzukehren. Auch wenn es Jahre dauert. Sie gräbt sich nach oben.

Sie überrascht uns wieder. Wenn wir fast vergessen haben, dass es sie gibt. Sie durchbricht die Oberfläche und diesmal überfallt sie uns von vorne. Stürzt sich auf uns und beginnt uns zu zerfleischen. Diesmal können wir sie nicht mehr einfangen. Sie zerlegt uns in einem Wimpernschlag in Einzelstücke. Nun legen wir da. Zerbrochen. Hilflos. Und sie sitzt da. Sie ist nicht mehr das kleine, niedliche Ding, dass sich hat überraschen und einfangen lassen. Nun ist sie der Meister. Sie sitzt da und bewacht uns. Wir machen das Einzige was man tun kann. Wir warten ab, warten dass ihre Aufmerksamkeit nachlässt. Wir schmieden Pläne, wie wir die Bruchstücke unseres Selbst wieder zu einem Ganzen zusammensetzen können. Es gelingt uns. Wir nehmen die wieder funktionstüchtigen Beine in die Hand und laufen, laufen, laufen, laufen, laufen. Wir fliehen, immer mit dem Blick zurück ob sie uns verfolgt. Das tut sie, unermüdlich. Wir können sie niemals abhängen. Wir werden müde, setzen unsere letzten Kraftreserven ein. Vergeblich. Sie hat uns eingeholt. Wir geben auf.

Dann geschieht etwas Erstaunliches. Sie zerfleischt uns nicht nochmal. Wir sitzen uns gegenüber und betrachten uns. Wir sehen nun jedes Detail ihres grausigen Äußeren. Sie sieht uns an, eindringlich, abwartend, wissend und fragend. Und dann beginnen wir zu verstehen. Sie ist kein Feind. Sie ist unser großer Beschützer. Ein schwarzer Höllenhund, ein fauchender Drache, eine vielarmige Schlange. Ein Wesen dass seinem Herrchen folgt. Es will uns beschützen. Und das hat es getan. Es hat uns fortgetrieben von dem was uns eigentlich zerstören wollte. Weg von einem anderen mächtigen Wesen, das für uns unsichtbar war und uns insgeheim und genüsslich als Sklaven hielt. Ein Wesen namens Selbstbetrug. Ein mächtiger Zauberer in dessen Bann wir geraten sind, ohne es zu merken. Dem wir gehorchten wie eine Marionette. Aus seinem Bannkreis endlich heraus erkennen wir seine Hinterlistigkeit. Wir sind befreit. Mit einem guten Freund an der Seite. Angst. Der treue Ritter der uns immer behüten wird, wenn wir seinem Ratschlag folgen. Lauf! Lauf bis ans Ende der Welt! Aber nimm deine besten Freunde mit, die Angst, die Selbstachtung und die Liebe.

© Kerstin Priess 2011

 
 
 
 
 
Der Mensch
bringt sogar die Wüsten zum Blühen.
Die einzige Wüste,
die ihm noch Widerstand bietet,
befindet sich in seinem Kopf.  
 
(Ephraim Kishon)
 
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Es gibt überall Blumen für den,
der sie sehen will.
 
(Henri Matisse)
 
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Blumen können nicht blühen
ohne die Wärme der Sonne.
Menschen können nicht Mensch werden
ohne die Wärme der Freundschaft.
 
(Phil Bosmans)
 
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Blumen sind die schönen Worte
und Hieroglyphen der Natur,
mit denen sie uns andeutet,
wie lieb sie uns hat.
 
(Johann Wolfgang von Goethe)
 
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 Die Normalität sit eine gepflasterte Straße, man kann gut darauf gehen - doch es wachsen keine Blumen auf ihr.

(Vincent van Gogh)

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Ich habe heute ein paar Blumen nicht gepflückt, um dir ihr Leben zu schenken.

(Christian Morgenstern)

© Kerstin Priess 2008 - 2011